Der Begriff Postfotografie soll zunächst deutlich machen, dass in der Digitalität nicht mehr gesichert angenommen werden kann, Fotografien seien Abbilder sichtbarer Ereignisse. In der Digitalität hat die überwiegende Mehrzahl der Bilder ein fotorealistisches Äußeres, unabhängig davon, ob es Fotografien sind oder nicht. Darüber hinaus berücksichtigt der Begriff auch jene Bilder, die auf fotografischen Aufnahmen fußen, obwohl sie nicht danach aussehen. Allgemein besagt der Begriff, dass digitale Bilder in keinem gesicherten Verhältnis mehr zu einer bestimmten Produktionsweise stehen und ihnen im Zweifel unterschiedliche, oft unvereinbare Bedeutungen folgen können.
Postfotografien sind Programmbilder. Die Technik, Bilder zu produzieren und zu bearbeiten, steht weltweit einer stetig wachsenden Anzahl von Menschen zur Verfügung, und der Umgang damit setzt kaum noch Qualifikationen voraus. Durch ihren umfassenden Gebrauch entsteht derzeit so etwas wie eine universale Bildsprache. Hendricks spielt mit den Funktionen eines Programms, das er bestenfalls spielerisch beherrscht, um seine Bilder zu gestalten. Er paktiert mit den Rechnern. Individuelle Vorstellungen kann er so nur bedingt ausdrücken. Im Ausgleich dazu steht ihm diese Sprache zur Verfügung, die in der Digitalität gebraucht und im Netz verbreitet wird. Sie ist an der Fusion von virtueller und physischer Welt beteiligt, bezeichnet also die entscheidende Entwicklung unsere Zeit. Hendricks Postfotografien sind Berichte aus dem Inneren dieses Geschehens. Mit Hilfe ein und der gleichen Programmeffekte erinnert Hendricks an die tausendjährige handwerkliche Bildkultur der Malerei, um dann zur allgemeinen, digitalen Bildsprache zu führen und nach ihren Gebrauchsweisen zu fragen.
Er stellt damit Neuerungen, wie den Gebrauch des Bildes als Ersatz physischer Erfahrung, den Gebrauch des Bildes als Ausgangspunkt persönlicher, bildwerdender Phantasien oder den Gebrauch als Vorbild von Dingen und Lebewesen, der Tradition des älteren Mediums entgegen. Die Geschichte, die Hendricks erzählt, handelt von den Umbrüchen, die der Digitalität in unserer Welt und in unserem Dasein folgen. Er nutzt das Mittel der Überarbeitung, um sein Thema zu fassen, nimmt eigene Fotografien aus der vordigitalen Zeit, bearbeitet sie digital und vollzieht an ihnen so die Fusion der Welten auf der Ebene des Bildes nach. Seit jeher hat die Überarbeitung dazu gedient, Autor und Arbeit in ein lebendiges Verhältnis zu setzen, seine Autorität und ihren Wert zu verzeitlichen. Augenfällig wird, wie viel Einfluss das Bild gewonnen hat und wie viel Autorität der Autor aufzugeben bereit ist, um davon zu berichten. Augenfällig wird auch, dass nur die neue Bildsprache das digitalbasierte Geschehen repräsentieren kann und dass Hendricks, trotz aller Bedingungen des Programms, in der Lage ist, in den Bildern Vergleiche anzustellen, die die Tragweite des Wandels vorstellbar machen.
Zur Person:
Peter Hendricks ist Professor für Fotografie an der Muthesius Kunsthochschule und Mitbegründer der Galerie Heinzi und Struss. Er arbeitete 10 Jahre als freiberuflicher Bildjournalist, bevor er für weitere 10 Jahre Angestellter des SPIEGEL-Verlags wurde. In dieser Zeit entstanden auch die ersten unabhängigen Projekte und Kontakte zur Kunst. Seither nutzt er ihre Mittel, um über seine Zeit zu arbeiten. Sein Interesse gilt den gesellschaftlichen Folgen des digitalen Wandels, der in gewisser Weise von der Fotografie vorbereitet wurde und in den sie nun in besonderem Maße eingebunden ist.
Ausstellung 07. Dezember 2013 bis 05. Januar 2014
Eröffnung Donnerstag 05. Dezember 2013, 19.00 Uhr
Öffnungszeiten 07./ 08. und 14./ 15. Dezember von 10.00 – 18.00 Uhr,
sowie bis zum 05. Januar nach Vereinbarung