„Akustische Szenografie” heißt der Kurs, den Sven Lütgen im Wintersemester an der Muthesius Kunsthochschule allen Studierenden anbietet. Akustische Szenografie betreibt der Lehrbeauftragte für Sound/Intermedia im Zentrum für Medien auch regelmäßig in seiner Publikation „sound/idea“. Nun ist die vierte Ausgabe des Magazins erschienen, das eingeladenen Autor*innen die Möglichkeit eröffnet, Essays, Interviews, Poesie, Introspektionen, Bildklangliches oder Klangbildliches im Einzugsgebiet Hören/Klang/Musik zu veröffentlichen. Im Gespräch verrät Sven Lütgen, was für ihn den besonderen Reiz ausmacht, Akustisches in ein Printmagazin zu gießen.
Das vorliegende Heft ist ja die inzwischen vierte Ausgabe – was ist das Konzept des Magazins?
„Sound, Musik und der auditive Weltzugang sind der weite Themenbereich der Publikation. Der Fokus liegt jedoch nicht auf der wissenschaftlichen Abstraktion, sondern auf der sinnlichen Wahrnehmung, dem Imaginativen und dem Intermedialen, das in Form von Beobachtungen, Introspektionen, Gesprächen, Artefakten, Einblicken in künstlerisch-gestalterische Arbeitsprozesse, Poesie und Illustrationen vielseitig zur Darstellung kommt. Das Magazin repräsentiert somit einen Bereich im weiten Kontext von Sound/Hören/Musik/Intermedia, dem sich bislang noch kein Periodikum in dieser Form gewidmet hat.“¬
Du schreibst im Intro, es habe kaum Vorgaben gegeben: Wie habt ihr die Inhalte erarbeitet?
„In der Regel spreche ich die Autor*innen an. Die Beiträge sind nicht gebunden an Kurse, auch wenn sie zum Teil Auseinandersetzungen mit der Thematik im Kontext des Studiums abbilden. Ich mache jedoch bewusst keine Unterscheidung zwischen Studierenden und Professionellen, da der Ausgangspunkt immer die Auffassung ist, dass alle Menschen musikalische Wesen sind, die interessante auditive oder multisensuelle Erfahrungen erleben (können). Alle sind somit eingeladen, etwas beizutragen, aber natürlich kommt nicht alles ins Heft. Gerade das offene Konzept zeigt jedes Mal erneut, wie vielseitig und weitgefasst der Bereich Sound/Musik/Hören ist. Und es wird ebenfalls deutlich, wie alle Disziplinen maßgeblich durch das Auditive konstituiert sind, auch wenn dies erstaunlicherweise in unserem Kunsthochschulkontext immer noch von einigen unterschätzt wird.“
Wie lange habt ihr an dem Heft gefeilt?
„Die gesamte Produktionsphase zieht sich etwa über fünf Monate. Bevor die Beiträge gelayoutet werden, kommuniziere ich viel mit den Autor*innen. Mehrere Wochen vor dem Druck gibt es dann einen intensiven Austausch zwischen mir und den Gestalter*innen des Hefts, die jedes Mal aus der Schriftkunst-Klasse kommen.“
Was macht für Dich den besonderen Reiz aus, Akustisches in ein Magazin zu gießen? Oder: Was ist daran die größte Herausforderung?
„Das Medium ist in Bezug auf das Auditive eigentlich keine Herausforderung. Es ging einmal darum, dem von mir vertretenen Bereich Sound Studies / Intermedia mehr Repräsentation zu verschaffen und beispielweise die alljährlichen mit dem Themenfeld Sound zusammenhängenden Diskurse und Arbeitsansätze nicht so unsichtbar und flüchtig zu belassen, wie man es dem Klanglichen üblicherweise unterstellen mag. Im Printmedium lassen sich zerstreute Dinge gut bündeln, fest- und nebeneinander stellen. Die Leserschaft mag es hoffentlich zur gesammelten aber auch unterhaltsamen Lektüre als eine Art inwendiges Hörens inspirieren. Zum anderen bin ich Liebhaber schöner Printpublikationen, auch in Weiterführung meiner herausgeberischen Tätigkeit in Düsseldorf als Mitbegründer des SITE-Magazin- und Ausstellungsprojekts, das international vertrieben wurde und exklusive Beiträge und Editionen von Künstlern veröffentlichte (darunter von Thomas Schütte, Reinhard Mucha, Elaine Sturtevant, Thomas Ruff, Candida Höfer).“
Welcher Beitrag hat Dich am meisten überrascht?
„Das waren diese beiden Beiträge: Prof. Dr. Ludwig P. Fromm, ehemaliger Rektor der Muthesius Kunsthochschule, berichtet von seiner Haft in der DDR als Republikflüchtling, und den akustischen Signalen, mit denen sich Insassen im Gefängnis verständigen. Und: Prof. Dr. Friedrich W. Heubach beschreibt seine Eindrücke als „musikalische Minderbegabung” im Zusammenhang der Teilnahme an einem der legendären „Selten gehörte Musik”-Konzerte.“
Wie geht es nun weiter: Welche Kurse von Dir starten im Wintersemester, in denen eventuell schon Material für ein nächstes Heft erarbeitet wird?
„Im kommenden Semester wird der Kurs „Akustische Szenografie” zentral sein, der sich mit theoretischen sowie praktischen Aspekten der Gestaltung der alltäglichen akustischen Umwelt befassen wird. Der Kurs steht allen Studierenden offen. Es wird aber dort, wie auch sonst zu keinem Zeitpunkt, nicht die Aufgabe geben, einen Heftbeitrag zu erarbeiten. Ich gebe lediglich die Anregung an alle, die sich für das Themenfeld begeistern, denn es ist ja eine tolle Chance in einem Heft Seite an Seite mit auch bekannteren Leuten publiziert zu werden – bei aller Exklusivität einer Kleinauflage. Das nächste Heft wird aber frühestens in zwei Jahren erscheinen, auch da es viel Aufwand neben meiner Arbeit ist.“
Zum Shop der Muthesius Kunsthochschule
Über „Sound/idea“
Das Magazin „sound/idea”, herausgegeben von Sven Lütgen über die Muthesius Kunsthochschule, ist eine Printpublikation, die in ihrer vierten Ausgabe erschienen ist. Das redaktionelle Konzept ist bewusst offen angelegt. Die eingeladenen Autor*innen, die größtenteils mit der Muthesius Kunsthochschule in Zusammenhang stehen, können sich Thema und Form im Einzugsgebiet Hören/Klang/Musik frei aussuchen. Bewusst sollen jedoch die pure Theorie und rein Dokumentarisches weitgehend draußen bleiben. Das Gewicht liegt auf sinnlichem Material, Arbeitsansätzen und dem direkten Bezug zum auditiven Erleben. Das Spektrum umfasst unter anderem Essays, Interviews, Poesie, Introspektionen, Bildklangliches oder Klangbildliches. Mit der Gestaltung des Hefts waren Irene Janson und Alexandra Knurowski vom Studiengang Kommunikationsdesign, Lehrgebiet Typografie und Gestaltung betraut.