Auf einem beigefarbenen Teppich steht ein beigefarbener Stuhl. Darauf liegt ein beigefarbenes Kissen. Gebückt pirscht sich eine Gruppe Studierender im Entenmarsch an. „Wir müssen uns unbedingt in Schlachtformation formieren“, sagt einer. Gummistiefel patschen auf den Boden. Absätze klackern. Dann ist Pause: „In welche Richtung gucken wir jetzt?“, fragt jemand. „Nach vorne“, sagt Greta Weber. Sie kennt die Antworten auf alle Fragen, die an diesem Abend im Kesselhaus der Muthesius Kunsthochschule aufkommen: Sie führt Regie bei Nikolai Gogols „Der Revisor“. Es ist die zweite Inszenierung des im Sommer 2022 gegründeten Mutheaters, für das fleißig geprobt wird. Denn von Donnerstag, 13., bis Samstag, 15. April, wird das neu inszenierte Stück täglich um 19 Uhr im Kesselhaus aufgeführt.
Das Mutheater ist weder Seminar eines Studiengangs noch von Lehrenden betreut. Es ist ein loser Zusammenschluss von Studierenden der Muthesius Kunsthochschule, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Fachhochschule und anderer an Theater Interessierter. „Wir sind 12 Schauspielerinnen und Schauspieler“, erklärt Greta Weber. „Und hinzu kommen bei dieser Aufführung sieben Musikerinnen und Musiker aus dem Förde Kammerorchester, die das Stück musikalisch begleiten.“
Sie haben sich „Der Revisor“ von Nikolai Gogol ausgesucht. Die Verwechslungskomödie von 1836 handelt von einem jungen Beamten aus Petersburg, der in die Kleinstadt kommen soll, um die Verhältnisse dort zu begutachten. Keine gute Nachricht für die Hauptmännin des Ortes, denn dort herrschen Korruption, Betrug und Nichtstun. Als ein Fremder in schicker Kleidung ins Hotel kommt, halten ihn alle für den Revisor – niemand ahnt, dass er nur ein mittelloser Petersburger ist, der sich die wildesten Geschichten ausdenkt, um an Geld zu kommen. Was das Ensemble an der Geschichte reizt? „Das Stück ist thematisch zeitlos und lustig auf eine eigenartige Art“, sagt Greta Weber. Sie hat Rollen zusammengelegt, damit es zur Größe der Gruppe passt. Und hat viel Text gestrichen oder verständlicher gemacht – und „das Fett vom Speck weggenommen“, wie sie sagt.
Ob ihr „Revisor“ modern ist? „Wir haben uns für eine zeitlose Bearbeitung mit einem reduzierten Bühnenbild entschieden“, sagt die Regisseurin, die schon während ihres Studiums an freien Bühnen Regie führte. Im Kesselhaus steht an diesem Probenabend nur wenig auf der Bühne. Bei der Aufführung sollen die Wände mit Segeltuch abgehängt werden, von der Decke sollen Holzbalken baumeln. Carolin Birkners und Katrin Averesch, ebenfalls Studierende an der Muthesius Kunsthochschule, haben das Bühnendesign entworfen. Die Kostüme näht Kalina Krutisch – sie studiert Kostümdesign an der Hochschule in Hannover.
Auch einen Orchestergraben wird es geben – oben, auf der Empore. Dort, hoch über der Bühne, sitzen sieben Mitglieder des Förde Kammerorchesters. Sie spielen mit Geige, Bratsche, Cello, Bass, Horn, Klarinette und Fagott die Musik, die Louise Preuß ausgewählt hat. Die Absolventin im Studiengang Kommunikationsdesign spielt selbst im Collegium musicum der CAU und wollte die Theatergruppe gern musikalisch unterstützen, seit sie im Sommer die Aufführung von Schnitzlers „Reigen“ gesehen hat. Für dieses Stück hat sie Franz Berwalds Grand Septett in B-Dur ausgesucht. Warum ausgerechnet diese Musik? „Sie passt von der Stimmung her gut und ist fast im selben Jahr entstanden wie Gogols Theaterstück. Es gibt heitere, energetische Passagen, später wird es ruhiger“, sagt Louise und spielt Ausschnitte vor. Die Musik wird die Aufführung einleiten und zwischen den Aufzügen eingesetzt. Noch liegen Jacken auf den Treppen. Auf einem Rollwagen schauen Kekse aus ihren Verpackungen. Und drei Stühle sind aufgestellt. Während der Aufführungen wird Platz für rund 100 Zuschauerinnen und Zuschauer im Kesselhaus sein.
Hier kann man die Aufzeichnung des Lifestreams auf YouTube ansehen:
https://www.youtube.com/live/QKxhE8N7fTI?feature=share