Kulturkritik findet sich der letzten Stufe der Dialektik von Kultur und Barbarei gegenüber: nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben“
Theodor W. Adorno
„Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe kein Gedicht mehr sich schreiben. Nicht falsch aber ist die minder kulturelle Frage, ob nach Auschwitz noch sich leben lasse“
Paul Celan
Gezeigt wird der Film:
„Gespräch im Gebirg“
Dokumentarfilm 1999
59 Minuten, Farbe, 16 mm
Regie, Buch, Schnitt, Darsteller: Mattias Caduff.
Kamera: Stephan Sachs, Mattias Caduff.
„[…] Es geht um das „Gespräch im Gebirg“, das Celan 1959 schrieb, nachdem Adorno zu einem von Peter Szondi arrangierten Treffen in Sils Maria nicht gekommen war. Celan hatte mit Adorno über dessen Diktum reden wollen, dass es barbarisch sei, nach Auschwitz noch Gedichte zu schreiben[…]
[…] Vordergründig ist diese Prosaerzählung, was ihr Titel verspricht, ein Gespräch im Gebirge. Ein Gespräch allerdings zwischen zwei Juden, ein Gespräch über Sprache. Genauer: über die deutsche Sprache, die einem Juden nach Auschwitz bleibt, der in der Sprache der Mörder, mit all ihren Abgründen und Tiefen, Untergängen und Verwerfungen, Gedichte schreiben und sprechen muss. Die Protagonisten der Erzählung blieben freilich nur im Text anonym. Freimütig bekannte Celan jedem, der es wissen wollte, dass er hier fiktiv, aber beziehungsreich, das Zusammentreffen des „Juden Klein“ Celan mit dem „Juden Groß“ Adorno geschildert hatte. Damit war deutlich und eindeutig darauf hingewiesen, dass diese Prosaerzählung eine Fortsetzung der zwischen den Zeilen ausgetragenen Kontroverse zwischen dem Dichter und dem Philosophen mit poetischen Mitteln war. Sie ist bis dahin die deutlichste öffentliche Stellungnahme Celans zu Adornos Diktum. […]
[…] Hier steht das Nichtverstehen am Anfang; ein Mann in seiner Wohnung, an seinem Tisch vor einer Geschichte Celans, die er nicht begriff, die er immer wieder studiert, auf dass sich ein Verstehen einstellen möge vor der unbewegten Kamera […]
[…] An die Wand malt er den Text, er stellt ihn mit Schattenfiguren nach; und wie seine Schweizer Kollegen Fischli und Weiss baut er sich, aus der Bettdecke, ein eigenes kleines Gebirg[…]
[…] Nach einer Weile erscheint Caduffs eigenwilliger Zugang zu Celan auf seltsame Art als einzig richtiger. Denn Caduff nutzt die elementare Stärke des Filmessays: der abstrakte Text, nicht der Inhalt, wird durch die besondere Art der Verfilmung lebendig […] Durch das Ungesagte, so Adorno einmal, wollten Celans Gedichte das Entsetzen aussprechen.[…]“
WO: Im Medienseminarraum, Raum: L. 00.09
WANN: Am Mittwoch den 17.01.2024 um 19:00 Uhr (Dauer des Films: 59 Min.)
MIT WEM: Prof. Stephan Sachs (Film / time based media) im Ramen des Seminars: Perspektive Film
WER:
Ihr seid alle herzlich eingeladen!
Ort: Medienseminarraum im Altbau; Legienstr. 35, Kiel
Datum: Mittwoch, 17.01.2024
Zeit: 19:00 – 20:00