Symposion des Forums: Kitsch als Kunst und Kunst als Kitsch

Kitsch als Kunst und Kunst als Kitsch

Kitsch, Kunst und Populärkultur. Zu einer Geschichte ideologischer Verwirrungen

Norbert M. Schmitz

Kunstsinnige Apologeten der High Art verwechseln in ihrer Negation der Populärkultur dieselbe oft mit dem Kitsch. Hochkunst, Kitsch und Populärkultur sind zwar sämtlich unterschiedliche Bereiche, doch jedes Artefakt gleichermaßen der Hoch- wie der Populärkultur ist prinzipiell einer ‚Verkitschung‘ zugänglich, einem System, das ein eigenes Subsystem der visuellen Kommunikation darstellt. Alle drei Bereiche müssen als dynamische Größen verstanden werden, die Bestandteil ein und derselben Dynamik der Ausdifferenzierung der Systeme neuzeitlicher Kultur sind. Das Symposion will gleichermaßen diese Kategorien beleuchten wie auch auf ihre ideologischen Implikationen der Denunziation, beispielsweise des Kinos als Kitsch, durch Vertreter der etablierten Hochkunst untersuchen. Wenngleich die Frontlinien in Zeiten der Pop-Art und einer ‚Entgrenzung der Künste‘ scheinbar durchlässig wurden, sind solche Diskursfiguren wirksam wie eh und je.

Kitsch ist wandelbar, und prinzipiell jedes ästhetische Objekt, also auch die Kunst der Avantgarde, ist so sehr ‚verkitschbar‘, wie umgekehrt seit Duchamp alles ‚kunstwürdig‘ ist. Und ausgerechnet dessen Flaschentrockner erfährt in Gestalt mehrerer ‚Originalrekonstruktionen‘ ehrfürchtige Unterwerfung. Was also ist heute Kitsch und welche Funktion hat er? Mit dem Geschmacksurteil über den Kitsch verhält es sich also ebenso wie mit jedem anderen ästhetischen sensus communis: Man kann ihn dekonstruieren, soziologisch analysieren, ästhetisch provozieren, aber am Ende sind wir doch immer auf irgendeine Art zu einem Werturteil gezwungen. In diesem Sinne ist der Wert des Kitsches der eines eigentümlichen Erkenntnisinstruments der Kunstanalyse.

 

Donnerstag, 18.01.2024

16:30 Uhr Arne Zerbst:
Grußwort des Präsidenten der Kunsthochschule

17:00 Uhr Norbert M. Schmitz:
Einführung: Kitsch als Kunst und Kunst als Kitsch

17:30 Uhr Harald Stübing:
Eröffnungsvortrag: Kitsch: ein klebriger Kobold

Zwischen einer Ablehnung als Abscheulichkeit und einer Nobilitierung des schlechten
Geschmacks ruft der Kitsch die unterschiedlichsten Urteile hervor, ist eingelassen in eine
Vielfalt von Deutungen. Bisweilen berauscht man sich auch nur an den eigenen Spitzfindigkeiten,
wenn man über ihn spricht. Seit seinen Anfängen hat sich der Kitsch einer Definition
entzogen und sie ist auch nicht zu erwarten. Weder in der Kunst noch im Erleben, sei es
ästhetisch oder alltäglich, ist eine klare Grenze zu ihm zu erkennen: Verwandlung in Kitsch
und Vermischung mit ihm bleiben nicht aus. Aber immer nimmt man dabei eine ungezogene
Aufdringlichkeit wahr; bei allem offensichtlichen Zuviel mangelt es dem Kitsch an Distanz.

Dr. Harald Stübing studierte von 1980 bis 1986 verschiedene Geisteswissenschaften,
verirrte sich beim Schreiben der Dissertation in der Berliner Staatsbibliothek
und wurde dort zum notorischen Leser, gelegentliche Lehraufträge,
Essays und Vorträge u. a. zum Verhältnis von Verzweiflung und Heiterkeit, zu
Anders, Valéry und Onetti, zu Autobiografien und Tagebüchern, zur Zeit, zur
Fotografie, zur Malerei Morandis.

19:00 Uhr Martin Kirves:
„Kitsch!“ als Kampfbegriff oder Die Erschießung des röhrenden Hirschen

„Das ist doch Kitsch!“ ist ein Werturteil, das nach wie vor im allgemeinen Sprachgebrauch
verankert ist. Doch was beinhaltet es eigentlich genau und auf welche Weise erfolgt die
Bewertung?
Zur Beantwortung dieser Fragen ist die These zentral, dass seit der allgemeinen Etablierung
des Kitsch-Begriffs im Rahmen der Avantgarde der klassischen Moderne ‚Kitsch‘ und ‚Kunst‘
Korrelationsbegriffe sind. Innerhalb dieser Korrelation entlarvt der Begriff ‚Kitsch‘ ein Werk
als eines, das bloß prätendiert Kunst zu sein und spricht diesem den Status der Kunst ab, um
es gerade als ‚Nicht-Kunst‘ zu kategorisieren.
Der Kitschbegriff hat mithin die Funktion das Feld der Kunst von innen her zu bereinigen
und dabei zugleich ex negativo zu bestimmen, was Kunst sei, indem ‚Kitsch‘ eine Kategorie
der ‚Nicht-Kunst‘ eröffnet, die eben das beinhaltet, was nicht für ‚wahre Kunst‘ gehalten wird.
Da ‚Kunst‘ und ‚Kitsch‘ aber nichts Vordefiniertes sind, ist zum einem die von der zeitgenössischen
Kunst immer wieder thematisierte Grenze zwischen ‚Kunst‘ und ‚Kitsch‘ permeabel
und zum anderem eröffnet der Kitsch-Begriff einen Raum, der potenziell eine ganze Weltsicht
umfasst, weshalb die Extension des Kitsch-Begriffs weit über die Kunst hinausgeht und
sowohl auf die Natur selbst wie auf Lebenssituationen bezogen wird.

Dr. Martin Kirves, Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik
an der FU und TU Berlin und der Universidad Complutense de Madrid,
2010-2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei eikones-NFS Bildkritik an der
Universität Basel im Modul ‚Ornament‘; 2012 Promotion an der TU Berlin
2015-2018, Mitglied des DFG-Netzwerks Theorie der Skulptur, Lehrbeauftragter
in Berlin und Köln. Seit 2018 freiberuflicher Kunsthistoriker und
Kunsthändler. Publikationen u,a: Das gestochene Argument. Daniel Nikolaus
Chodowieckis Bildtheorie der Aufklärung, Berlin 2012.

Freitag, 19.01.2024

10:00 Uhr Gernot Weckherlin: Die röhrenden Hirsche der Architektur,
eine aussterbende Art?

Heinrich Klotz‘ Bändchen „Die röhrenden Hirsche der Architektur“ (1977) stellt eine Kritik
an der modernen Architektur im deutschen Sprachraum dar, die den Terminus Kitsch wieder
titelgebend führte. Damit brachte der Autor diesen schwer fassbaren Begriff gegen diese
Architektur selbst in Stellung, die einst angetreten war, die „Geschmacksverirrungen“ des
Historismus zu brandmarken. Seine Kritik richtete sich gegen „eine von allen Mätzchen
gereinigte Stadt, in der das Werbezeichen als einzig geduldetes Zeichen herrscht…“ und die
„eben deswegen die Bewohner dieser unbewohnbaren Städte in eine „ganze Ikonographie
von Ersatzarchitektur“ treibe. Heute dagegen wäre zu fragen, ob der Kitsch als Begriff zur
Gewinnung von kultureller Deutungshoheit in der Architektur überhaupt noch existiert.
Es ist um ihn verdächtig still geworden. Allzu offensichtlich haftet dem Begriff der Geruch
eines Pazaurekschen Kulturkampfs gegen den „Schund“ an, der heute in der Unterscheidung
zwischen high- und low culture kaum mehr akzeptabel scheint. Es wird zu zeigen sein, wie
der Geltungsanspruch der Bauherrschaften unverblümt zur Schau gestellt wird und gerade
dadurch zugleich Bauten an der Grenze zum Kitsch entstanden sind. Zugleich wäre dabei die
Klotz‘sche Ironie des Ornaments und der Referenz marginalisiert. Ob überhaupt, und wenn
ja wann und wie der Architekturkitsch ausgestorben ist, das ist Gegenstand des Beitrags.

Dr.-Ing. Gernot Weckherlin ist gelernter Zimmermann, Architekt, Autor
und Hochschullehrer. Architekturstudium in München, London und Briey
en Forêt. Lehrtätigkeit an der TU Dresden, der Bauhaus-Universität Weimar,
der Universität der Künste Berlin, der Beuth-Hochschule Berlin, der BTU
Cottbus-Senftenberg und der Hochschule Anhalt. Forschungsschwerpunkte
und Veröffentlichungen zu Geschichte und Theorie der Architektur, zur Entwurfsforschung,
und zu Fragen der Systematik architektonischen Entwurfswissens.
Er lehrt derzeit an der FU Berlin und ist seit 2023 Gastprofessor an
der Hochschule Anhalt in Dessau.

11:30 Uhr Andreas Strobl: Saurer Kitsch im avantgardistischen Gewand

Auch die bildende Kunst der Moderne und der Gegenwart ist vor der Verkitschung nicht
sicher. Man könnte vielleicht von Avantgarde-Kitsch sprechen. Neben dem Hang zum Süßen,
der dem Kitsch nachgesagt wird, gibt es aber auch das wenig beachtete Phänomen des sauren
Kitsches. Als These sei aufgestellt, dass es hierbei zu einer Koppelung mit einer weiteren
Norm kommt, der Moral.
Als Beispiel für diese These wird eine jüngst im Münchner Kunstverein gezeigte Ausstellung
und eine Aktion in deren Rahmen vorgestellt. Die Künstlerin Bea Schlingelhoff setzte sich
in der Ausstellung „No River to Cross“ 2021 mit der Geschichte des Vereins und mit der
Geschichte der Räume, in denen sich der Verein heute befindet auseinander. Der Verein
residiert seit 1953 in Räumen, die 1937 für die Ausstellung „Entartete ‚Kunst‘“ genutzt
wurden. Sind die Räume kontaminiert, scheint die Künstlerin gefragt zu haben, indem sie in
minimalistischer Ästhetik an die Schandausstellung erinnerte. Sie verknüpfte diesen Ansatz
aber auch noch damit, dass sich der Verein – qua Ergänzung der Satzung – vom Rassismus
der Vereinsmitglieder des Jahres 1936 distanzierte.
Es wird die Verschränkung der Themen und die moralische Haltung, sich für vergangenes
Unrecht zu entschuldigen, zu hinterfragen sein. Ob der Begriff des Kitsches und des sauren
Kitsches hierfür geeignete Kategorien sind, wird zur Diskussion gestellt.

Dr. Andreas Strobl promovierte nach dem Studium der Kunstgeschichte,
Geschichte und Philosophie in München und Berlin 1994 zum Werk von
Otto Dix. Tätig als freier Publizist, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum
Georg Schäfer, Schweinfurt, Kustos des Kupferstichkabinetts der Kunsthalle
Bremen, und Konservator für die Kunst des 19. Jahrhunderts an der Staatlichen
Graphischen Sammlung München.

14:00 Uhr Norbert M. Schmitz: Kitsch, Kunst und Populärkultur. Zu einer Geschichte ideologischer Verwirrungen

Kunstsinnige Apologeten der High Art verwechseln in ihrer Negation der Populärkultur
dieselbe oft mit dem Kitsch. Beide sind allerdings sämtlich unterschiedliche Bereiche, und
jeder Artefakt gleichermaßen der Hoch- wie der Populärkultur ist prinzipiell einer‚Verkitschung‘
zugänglich, die damit einen eigenen Bereich darstellt. Alle drei Bereiche müssen als
dynamische Größen verstanden werden, die Bestandteil ein und derselben Dynamik der
Ausdifferenzierung der Systeme neuzeitlicher Kultur sind. Der Vortrag will gleichermaßen
diese Kategorien beleuchten wie auch auf ihre ideologischen Implikationen der Denunziation,
etwa des Kinos als Kitsch, durch Vertreter der etablierten Hochkunst untersuchen. Wenngleich
die Frontlinien in Zeiten der Popart und einer ‚Entgrenzung der Künste‘ scheinbar
durchlässig geworden sind, sind solche Diskursfiguren wirksam wie eh und je.

Dr. Norbert M. Schmitz, Professor für Ästhetik an der Muthesius Kunsthochschule,
Kiel. Kunst- und Medienwissenschaftler. Lehrtätigkeiten an Universitäten
und Kunsthochschulen in Wuppertal, Bochum, Linz und Zürich.
Methodische Arbeiten zu Fragen der Intermedialität von bildender Kunst
und Film, Ikonologie der alten und neuen Medien, Diskursgeschichte der
Kunstwissenschaft, des Kunstsystems und der Medientheorie, Methodik der
modernen Bildwissenschaft; Sachliche Schwerpunkte: Wissenschaftsgeschichte
der Kunsthistorik und Medientheorie, Wechselbeziehungen zwischen Kunstund
Filmgeschichte, Avantgardefilm und Kulturgeschichte der Moderne.

15:30 Uhr Charlotte Bolwin: Zwischen Kunst und Kitsch: Naturbildlichkeit und digitale
Ästhetik in Projekten zeitgenössischer Medienkunst

Je strikter die Grenze zwischen „Kunst“ und „Kitsch“ gezogen wird, desto offenkundiger
werden die normativen Gehalte eines Ästhetikdiskurses westlich-moderner Prägung. Umgekehrt
zeigt die Geschichtlichkeit, d.h. die diskursiven Einbettungen und die Medienabhängigkeit
von künstlerischen Praktiken und Formen in der Regel auf, wie kontingent diese Teilung
des Ästhetischen ins Kunstwürdige und Kitschhafte letztlich ist, und wie eng sie dabei mit
programmatischen und strategischen Indienstnahmen ästhetischer Verfahren verbunden
bleibt. Nicht zuletzt deshalb, weil Kitsch-Urteile also symptomatisch sind für bestimmte
Vorstellungen und Identifikationsweisen von Kunst, ist es instruktiv, sich mit Kitsch-Zuschreibungen,
ihren Gegenständen und diskursiven Kontexten zu befassen. Auffallend häufig
findet sich die Kategorie Kitsch gegenwärtig in der Kommentierung zeitgenössischer Medienund
Kunstprojekte, in denen „Künstliche Intelligenz“ zum Einsatz kommt, um „Kunst“ zu
produzieren. Noch frappierender die Urteile, wenn damit Naturdarstellungen generiert
werden – ein Genre, über das bereits Theodor W. Adorno in seiner Ästhetischen Theorie
schrieb, es unterlaufe per se jede Kunstwürdigkeit und transformierte seinen Gegenstand ins
Groteske. Ausgehend von der Frage nach den diskursiven Verflechtungen, die Begriffe von
Kunst und Kitsch prägen, diskutiert der Vortrag den Plot einer digitalen Naturästhetik, die
sich im aktuellen Medienkunstfeld beobachten lässt. Es werden rezente Projekte digitaler
Medienkunst vorgestellt und auf ihre Kunst- und Kitschpotenziale befragt. Dabei steht auch
die Produktivität dieser Kategorien selbst zur Debatte.

Charlotte Bolwin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bauhaus-Universität
Weimar (Fakultät Medien, Lehrstuhl für Digitale Kulturen). Zuvor studierte
sie Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft in Berlin und Paris und absolvierte
ein wissenschaftliches Volontariat. Als Doktorandin forscht sie an der
Schnittstelle von Kunst- und Medienwissenschaft zu Medienkunst(geschichte),
Experimentalfilm, Technikphilosophie, Ökologie und Digitalität. Ihr Dissertationsprojekt
zu digitalen Naturästhetiken zeitgenössischer Medienkunst
verbindet diese vermeintlich disparaten Felder. Charlotte Bolwin lehrt(e) an
der Akademie der Bildenden Künste München, der Hochschule für bildende
Künste Braunschweig und der Bauhaus-Universität Weimar.

17:00 Uhr Rabea Ridlhammer: Lustwandeln auf klebrigen Spuren: Serviervorschlag für einen süßen Cocktail aus Kitsch, Cuteness und kollektiver Praxis

Wo lässt sich eine Verbindung feststellen zwischen dem viel diskutierten Kitschbegriff und
der heute extrem präsenten, „kleinen“ ästhetischen Kategorie der Cuteness, des Süßen, Niedlichen,
und was haben sowohl Kitsch als auch Cuteness mit Geschmack und Genuss, aber
auch mit Macht und Gender zu tun?
Als Beispiel für eine zeitgenössische künstlerische Auseinandersetzung mit diesen ästhetischen
Kategorien und ihrem Potenzial für eine genüsslich-lustvolle Selbstermächtigung durch
Aneignung, soll das von der Dramaturgin Felicitas Arnold und der Rednerin gemeinsam
an der Schnittstelle visueller und performativer künstlerischer Praxen seit 2020 entwickelte
Projekt CH3RIX vorgestellt werden. Den Titel der bekannten Likörpraline Mon Chéri
schuldend, fragen die in versammelten multimedialen Arbeiten: Warum werden bestimmte
Menschen, Objekte, Bildsprachen als „süß“ bezeichnet und welche Form der Trivialisierung,
Repression und des Machtentzugs steckt hierhinter? Durch fragmentierte theoretische und
künstlerische Häppchen nährt sich ein emanzipatorisches Argument und Cuteness entfaltet
sich als Strategie, das scheinbar Triviale, Geschmack- und Machtlose ernst zu nehmen und
schwelgerisch gemeinsam zu genießen.

Rabea Ridlhammer, wohnhaft in Rotterdam, absolvierte einen BA in Kunst
und Design an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam und einen MA
in Kunstpraxis am Dutch Art Institute (ArtEZ). Seitdem ist sie als Künstlerin
und Dozentin tätig, seltener auch als Grafikerin. Seit 2018 unterrichtete sie
wiederholt an der Merz Akademie in Stuttgart und war bis Sommer 2023 als
Unterrichtsassistenz im Master Fine Arts an der ZHdK in Zürich tätig.
In ihrer oft forschungsbasierten Arbeit setzt sie sich mit diversen trivialisierten
Positionen, Praktiken und Bildsprachen auseinander, darunter Comedy,
Klatsch, Cheerleading, Spiel, Miniaturen und Craft.

Samstag, 20.01.2024

10:00 Uhr Elena Korowin: Zwischen Avantgarde und Kitsch

Das Postulat L’art pour l’art in der Malerei des ausgehenden 19. Jahrhunderts entstand und
verbreitete sich gleichzeitig zu den scheinbar antagonistischen Begriffen Avantgarde und
Kitsch, sowie deren Verhältnis zur „freien“/“reinen“/“autonomen“ Kunst, die seit Mitte
des 19. Jahrhunderts immer wieder ausgerufen wurde. Im geplanten Beitrag werden die
gängigen Definitionen des Kitsches und der Avantgarde an Michail Vrubels (1856–1910)
„Sitzender Dämon“ (1890, Staatliche Tretjakov-Galerie) – einem der berühmtesten Gemälde
der russischen Kunstgeschichte – durchgespielt und aufgezeigt, dass sie nicht nur durchlässig
sind, sondern teilweise ineinander übergehen, sich gegenseitig stützen oder obsolet werden
lassen können. Die enge Verzweigung des Kitsches mit Romantik, Schönheit und Freiheit
machte ihn zu einem gefährlichen Instrument der Manipulation. Milan Kundera hat in Die
unerträgliche Leichtigkeit des Seins (1984) die treffendsten Definitionen dieses Kitsches
geliefert. Das Ziel des geplanten Beitrags ist es, den Kitsch im Verhältnis zur Avantgarde zu
betrachten und dabei den Antagonismus Greenbergs hinter sich zu lassen. Schließlich soll
das heutige Framing von dieser Kunst betrachtet werden.

Dr. Elena Korowin, Studium der Kunstwissenschaft, Philosophie, Medientheorie,
Ausstellungsdesign und kuratorischer Praxis an der Hochschule für Gestaltung
in Karlsruhe. Promotion zu „Der Russen-Boom. Kunstausstellungen als
Mittel der Diplomatie zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik
Deutschland 1970–1990“ Zwischen 2012 und 2016 kuratorische Assistenz
an der Kunsthalle Baden-Baden und im Russischen Museum Sankt Petersburg.
2016–2022 wiss. Mitarbeiterin im Graduiertenkolleg „Kulturtransfer und
‚kulturelle Identität“ an der Universität Freiburg. 2022–2023 Verwaltung der
W3-Professur Kunstwissenschaft mit dem Schwerpunkt Gegenwart. Zahlreiche
Lehrveranstaltungen, Publikationen und Vorträge im In- und Ausland.
Forschungsschwerpunkte: Moderne und zeitgenössische Kunst, Dissidenz,
Kulturpolitik, ästhetische Theorien, Avantgarde und Kitsch, Genderforschung,
Cat Content.

11:30 Uhr Michael Gehlmann: Die kitschige Rede vom Kitsch. Zum Ideologieverdacht des musikalischen Kitsch-Begriffs

Eine bloße Adaption der in den 1920er Jahren kanonischen Kisch-Bestimmungen durch
die Musik, etwa als Scheinhaftigkeit, bliebe aporetisch, denn was wohl auf eine Schubert-
Büste aus Seife Anwendung finden könnte, liefe an der abstrakten Materialität der Musik
ins Leere. Hält also die Musik überhaupt hinreichende Kriterien bereit, Kitschigkeit zu
begründen? Der frühe Adorno wies das Musikalisch-Unechte von Anbeginn soziologisch
aus. Kitschiger Musik als sinnloser Täuschung an der Sinnlosigkeit des Daseins legte er
das Gewand marxistischer Kapitalismuskritik an. Zwar gilt dies gegenwärtig als Initial der
musikwissenschaftlichen Kitsch-Debatte, doch ging dem ein Aufsatz Dofleins voraus, der
Adorno zufolge die Soziologie des Begriffs verkitschte. War dies bereits das Ende der Debatte
oder kam sie hier erst zu sich?

Dr. Michael Gehlmann begann seine Studien musikwissenschaftlich, wechselte
dann in die Instrumentalausbildung und ist gegenwärtig Mitglied des Sinfonieorchesters
Wuppertal. Er ist durch die Berg. Universität Wuppertal mit
einer musikwissenschaftlichen Dissertation promoviert worden. Ergänzend
studierte er Philosophie und ist gelegentlich als Lehrbeauftragter tätig.


Ort: Kesselhaus der Muthesius Kunsthochschule; Legienstraße 35, 24103 Kiel
Datum: Donnerstag, 18.01.2024 – Samstag, 20.01.2024
Zeit: Ganztägig
17.01.2024

Im Fokus

Im Fokus

Übergeordnetes Ziel der Muthesius Kunsthochschule in Kiel ist es, durch künstlerisch-gestalterische Entwicklungs- und Forschungsvorhaben als Kristallisationspunkt für Arbeiten und geistige Auseinandersetzungen auf den Gebieten der Kunst, der Raumkonzeption und des Designs zu wirken. Die Muthesius Kunsthochschule in Kiel als einzige Kunsthochschule des Landes Schleswig-Holstein ist nicht nur ein Ort der Ermöglichung kulturell relevant werdender Biografien, sondern mit ihrem Projektstudium auch ein Ort besonderer Experimente und Realisierungen.
 Die Profile der Masterstudiengänge stellen teilweise in der Bundesrepublik einzigartige Studienangebote und Entwicklungsmöglichkeiten für Studierende dar.

„Im Zentrum der Muthesius Kunsthochschule steht die Kunst, das Künstlerische und das Gestalterische, das Schaffende und die Produktivität. Um diese Mitte bewegt sich auch das grundsätzliche Verhältnis von Theorie und Praxis. Dieses Wechselverhältnis ist ein permanenter Prozess, eine kreisende Bewegung um das von Kunst und Design ausgehaltene Zentrum. Es ist Freiraum nötig, um sich zu bewegen. Deshalb ist die erste Bedingung für Kunst und Design an unserer Hochschule Freiheit! Zum Studium an der Muthesius Kunsthochschule gehört der Wille, diese Freiheit zu nutzen, um zu einer ebenso kreativen wie produktiven Persönlichkeit heranzureifen. So können wir unseren Studierenden persönliche Biografien ermöglichen“, verspricht Präsident Dr. Arne Zerbst.

Rund 630 Studienplätze verteilen sich zurzeit auf die Studiengänge Freie Kunst, Kunst Lehramt an Gymnasien, Szenografie/Interior Design/Raumstrategien, Kommunikationsdesign und Industriedesign.

FORSCHUNG UND PROJEKTE

Das Studium an der Muthesius Kunsthochschule ist projektorientiert. Studierende werden frühzeitig ermutigt, Erfahrungen mit realen Auftraggebern zu machen. Mit dem Zentrum für Medien wurde eine  interdisziplinär arbeitende Einrichtung geschaffen, die den Studierenden dabei helfen, ihre Projekte erfolgreich zu realisieren.
Durch die Teilnahme an Exzellenzclustern zählt die Muthesius Kunsthochschule zu jenen international sichtbaren und wettbewerbsfähigen Forschungseinrichtungen, die dazu beitragen, den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken. Zahlreiche Kooperationspartner auf lokaler, nationaler wie internationaler Ebene schätzen an der Muthesius Kunsthochschule ihre interdisziplinäre Kursstruktur sowie das persönliche Klima mit Semesterstärken von maximal 20 Studierenden – eine hervorragende Basis für Diskurse mit Innovationspotential.

INTERNATIONALITÄT

Studierende und Lehrende setzen sich jedes Semester im Rahmen interdisziplinärer Workshop-Wochen und hochschulintern organisierter, öffentlicher Symposien mit nationalen und internationalen Positionen in Kunst und Design auseinander. Internationale Dozenten sind stets Bestandteil dieser Pflichtveranstaltungen. Aus über 30 Ländern der Welt kommen junge Menschen in Kiel zum Kunst- und Designstudium zusammen. Ihr Anteil an der Studierendenschaft beträgt 14 Prozent, Tendenz steigend. Damit liegt die Muthesius Kunsthochschule weit über dem Bundesdurchschnitt.

WEBLOGS DER LEHRGEBIETE

Um die Vielfalt der Muthesius Kunsthochschule darstellbar zu machen, gibt es neben den »offiziellen« Informationsseiten (die farbige Hälfte dieser Webseite) über 40 Weblogs (die weiße Hälfte dieser Webseite), die von den einzelnen Lehrgebieten selbst gepflegt aktualisiert werden.

Für ganz Eilige haben wir hier eine kurze Bookmarkliste zusammengestellt:
Das digitale Vorlesungsverzeichnis
Who is who an der Muthesius
-Personenverzeichnis
Medienformationen für die Presse
Die Termine der Mappenberatung

Bibliothek (Katalog und Öffnungszeiten)

 

SEMESTERZEITEN

Wintersemester 2024/2025
Semesterzeitraum: 01.10.2024 – 31.03.2025
Vorlesungszeit: 14.10.2024 – 14.02.2025
(Unterrichtsfrei 21.12.2024 – 06.01.2025)

Sommersemester 2025
Semesterzeitraum: 01.04.2025 – 30.09.2025
Vorlesungszeit: 14.04.2025 – 25.07.2025

 

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Die Muthesius Kunsthochschule tritt entschieden für die Anerkennung und Akzeptanz jeglicher Identitätskonzepte (LGBTQIA*) jenseits von binärer Geschlechterordnung und Heterosexualität ein.
(Bitte informieren Sie sich über die Gleichstellungsarbeit auf der Website der Kommission für Gleichstellung und Diversität: E-Mail: gleichstellungskommission@muthesius.de.)