Zum Wintersemester 2022/2023 ist Axel Loytved zum neuen Professor für Künstlerische Grundlehre in der Freien Kunst berufen worden. Er folgt auf Professor BKH Gutmann, der zum 30. September ausscheidet. Loytved, 1982 in Bad Mergentheim geboren, hat an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig studiert und wurde 2010 mit dem Meisterschülerpreis ausgezeichnet. Es folgten 2011 der „NORDWEST-Kunstpreis“ der Kunsthalle Wilhelmshaven und 2012 das Arbeitsstipendium der Stadt Hamburg sowie 2013 das Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg. Seine Arbeiten waren unter anderem in der Sammlung Falckenberg Hamburg, im Essener Museum Folkwang oder im Kunstverein Wolfsburg zu sehen. Axel Loytved ist Mitbegründer und Mitglied verschiedener Projekte und Künstlergruppen, allen voran des seit 2006 bestehenden Kunstvereins St. Pauli.
Herr Loytved, Sie sind in Kiel kein ganz Unbekannter, sondern waren hier schon mal Lehrbeauftragter für Kunst im öffentlichen Raum. 2018 haben Sie unter anderem mit dem Projekt „Hot Spots – Heiße Flecken“ den Stadtraum erkundet. Was hat Sie so an der Kunsthochschule begeistert, dass Sie sich nun als Professor für die Basisklasse beworben haben?
„Ich mochte schon damals die persönliche Stimmung an der Hochschule. Und dass die Studierenden und Mitarbeiter*innen sehr offen für Ideen und Projekte waren und immer gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht wurden, wie sich diese realisieren lassen. Außerdem ist die Kunsthochschule gut aufgestellt: sowohl was die Ausstattung der Räume als auch die Werkstätten anbelangt.“
Wie haben Sie Ihre Arbeit als Lehrbeauftragter der Freien Kunst hier in Erinnerung?
„Meine Arbeit war sehr projektbezogen, ich war immer nur für einen kurzen Zeitraum in Kiel. Damals habe ich überwiegend zwei Ausgaben des Projekts Hot Spots umgesetzt. Die Idee dahinter war, dass sich Studierende in der Stadt einen Ort abseits der touristischen Sehenswürdigkeiten suchen und sich mit diesen Situationen auseinandersetzen. Die Herangehensweisen waren sehr individuell mit unterschiedlichen Medien und Themen. Ein Ergebnis der Hot Spots ist unter anderem die weiße Spur von Hannah Bohnen auf dem Hof der Kunsthochschule.“
Jetzt sind Sie Professor für Freie Kunst in der Basisklasse der Muthesius Kunsthochschule. Was möchten Sie Ihren Studierenden mitgeben – als Basis? Wie sieht ein gutes Fundament künstlerischer Ausbildung aus?
„Das Kunstfeld ist heute so breit wie noch nie. In der Basisklasse sind bis zu 40 Studierende der Freien Kunst und Kunst auf Lehramt. Die Herausforderung besteht darin, ihnen allen in relativ kurzer Zeit – nämlich zwei Semestern – einen Eindruck davon zu vermitteln, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, künstlerisch zu arbeiten und auf das zu reagieren, was der Jahrgang an eigenen Fragen mitbringt. Mir ist wichtig, dass sich die Studierenden mit den zentralen Begriffen Raum und Zeit auseinandersetzen. Sie werden sich aneignen, wie es ist, ihr freies Arbeiten selbst zu organisieren. Wie sich ihre Ansätze in aktuellen Diskursen verorten lassen, um letztlich ihre eigene Fragestellung zu suchen und zu finden. Und in welcher Beziehung das künstlerische Arbeiten zu aktuellen gesellschaftlichen, politischen und sozialen Prozessen steht. Mir geht es nicht vordergründig um ein Produkt im Sinne eines fertigen Kunstwerks. Sondern mir geht es um eine künstlerische Haltung und darum, ein künstlerisches Denken zu entwickeln und zu stärken.“
Mit Blick auf Ihre neue Aufgabe als Professor der Basisklasse: Worauf freuen Sie sich besonders?
„Es bereitet mir große Freude zu betreuen und begleiten, wie die Studierenden ihre ersten Erfahrungen mit zeitgenössischer Kunst sammeln. Und das sind in der Basisklasse grundlegende Erfahrungen, die oft den weiteren Werdegang beeinflussen.“
Die Kunstwelt hat sich in den vergangenen Jahren extrem digitalisiert. Wie digital muss und darf die Basisausbildung in der Freien Kunst Ihrer Meinung nach sein?
„Vom Polaroid über die Ölmalerei bis zum Programmieren – es gibt das ganze Spektrum, mit dem man arbeiten kann. Mir ist wichtig, dass wir eine möglichst breite Medienarbeit anbieten. Wobei meine Erfahrung zeigt: Oft ist gar nicht die Wahl des Mediums der erste Schritt. Sondern zunächst muss sich eine Wahrnehmung für die Themen entwickeln, dann findet sich auch das entsprechende Medium.“
Sie haben an der HBK Braunschweig studiert. Warum gerade dort – und wieso Kunst?
„Ich komme aus einem kleinen Dorf mit rund 300 Einwohnern. Dort gab es kein Kulturangebot, keine Kunstinstitution. Aber ich hatte eine tolle Kunstlehrerin in der Schule, die mir die Option, Kunst zu studieren, eröffnet hat. Mich hat damals sehr fasziniert, dass es einen Studiengang gibt, in dem man machen kann, was man will. Diese Freiheit hat mich begeistert, darum ging es mir vorrangig. Die Lehrerin hat mir eine Ausgabe des Magazins art gegeben, in der es in einer Beilage um das Kunststudium ging und die Bewerbungsfristen aller Kunsthochschulen aufgelistet waren. Die HBK Braunschweig kam an erster Stelle und dort habe ich mich dann beworben. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch Braunschweig als eine Stadt, die nicht im Zentrum der zeitgenössischen Kunst steht – ein guter Ort für ein Kunststudium sein kann.“
Sie haben unter anderem bei Raimund Kummer und Christoph Schlingensief studiert. Wie haben Sie selbst ihr Kunststudium erlebt?
„Auch Nicola Torke, meine Professorin in der Grundlehre, war sehr prägend und mit ihr bin ich bis heute in einem engen Austausch. Raimund Kummer hat Pionierarbeit für Kunst im öffentlichen Raum geleistet und mit büro berlin Ausstellungen im Kollektiv umgesetzt. Christoph Schlingensief war zwar nicht oft in Braunschweig, hat aber seine Klasse immer zu allen Produktionen eingeladen – egal, ob es am Burgtheater in Wien oder an der Berliner Volksbühne war. Dort haben wir Einblicke in den kompletten Theaterapparat bekommen: ob Bühnenbild, Performance oder verschiedene Teamsitzungen. Als Studierende hatten wir überall freien Zugang.“
Was hat Sie an ihm beeindruckt?
„Es war extrem bereichernd, ihm bei der Arbeit zuzusehen. Sein Team war sehr divers und mich hat fasziniert, wie er auf Augenhöhe mit allen gesprochen hat.“
Ihre künstlerischen Arbeiten haben auf den ersten Blick viel Humor: Da sammeln Sie ein Netz aus WG-Socken, zerlegen einen Einkaufswagen oder löchern eine Chipstüte. Was reizt Sie an solch augenzwinkernden Projekten?
„Humor ist mir sehr wichtig – gerade in Zeiten, in denen es nicht so viel zu lachen gibt.“
Sie beschäftigen sich auch intensiv mit Kunst im öffentlichen Raum. Warum?
„An der Arbeit im öffentlichen Raum interessiert mich besonders, dass es eben kein White Cube ist. Es gibt immer eine Wechselwirkung, indem sich die künstlerische Arbeit in einen Ort einschreibt, aber auch der Ort die künstlerische Arbeit mit beeinflusst.“
Reizt Sie daran auch, dass Sie auf diese Art ein Publikum ansprechen können, das vielleicht nie in eine Galerie, einen Ausstellungsraum gehen würde, um sich bewusst Kunst anzusehen?
„Es ist spannend für mich, dass Kunst im öffentlichen Raum nicht an einem Kunst-Ort präsentiert wird, an dem die Rollen von vornherein festgelegt sind. Im öffentlichen Raum gezeigte Kunst kann etwas Irritierendes, Provokantes und Verstörendes haben. Und das soll sie sogar.“
Oftmals verwenden Sie in Ihren Arbeiten Gebrauchsgegenstände, Krimskrams und Hosentaschenschätze – warum liegt Ihr Fokus auf Konsumartikeln und deren Transformation?
„Ich verfolge damit keinen didaktischen Ansatz, aber habe die Wahrnehmung: Wie wir konsumieren, hat Auswirkung auf die ganze Welt und auf das Klima. Wenn man das Thema Konsum größer denkt, ist sehr viel beeinflussbar.“
Sie sind vielseitig aktiv, engagieren sich mit selbst designten Schals für die Seebrücke, sind Mitbegründer des Kunstvereins St. Pauli und mit ihren Arbeiten in einigen großen Kunstsammlungen vertreten. Woran arbeiten Sie zurzeit?
„Aktuell sind Arbeiten in der Kunsthalle Hamburg zu sehen und ich plane Projekte im öffentlichen Raum. Ende Oktober wird es in Berlin kleine Interventionen von mir geben – im Rahmen einer Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Beton“.“
Was wünschen Sie sich für die Muthesius Kunsthochschule?
„Es hat immer wieder Knotenpunkte gegeben, an denen spannende Künstlerinnen und Künstler ausgebildet worden sind. Sehr interessant für mich ist es, über die Arbeit in Kiel hinaus gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen zu überlegen, welche Themen uns wichtig sind und wie die künstlerische Ausbildung aussehen und sich weiterentwickeln kann. Dazu gehört auch, sich über den Fachbereich hinaus mit den anderen Studiengängen auszutauschen. Dadurch, dass die Anzahl der Professorinnen und Professoren und Lehrenden klein ist, ist das gut möglich. Darauf freue ich mich. Und es wäre natürlich schön, wenn auch Kiel stärker in den Fokus rückt und man auf die exzellente Ausbildung hier aufmerksam wird.
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