Die Muthesius Kunsthochschule trauert um Bernhard Schwichtenberg. Als Professor im Kommunikationsdesign und langjähriger Dekan hat er die bewegte Geschichte der heutigen Kunsthochschule über Jahrzehnte miterlebt und begleitet.
Es ist das Jahr 1959, als Bernhard Schwichtenberg beginnt, an der Muthesius-Werkschule bei Hermann Bentele zu studieren. Es ist das Jahr, in dem die „Gorch Fock“ Kiel zu ihrer ersten Auslandsreise verlässt und die Schlossruine abgebrochen wird. Am Lorentzendamm feiert die damalige Muthesius-Schule ihr Richtfest. Der in Berlin geborene und in Köln aufgewachsene Schwichtenberg nimmt im Alter von 21 Jahren sein Studium in Kiel auf. Für Grafikdesign entscheidet er sich und schließt 1964 als Meisterschüler ab. Anschließend ist er freiberuflich als Designer und Künstler tätig. Der Muthesius-Schule bleibt er Zeit seines Lebens sehr verbunden. Schon im Wintersemester 1972/73 – Schwichtenberg ist 34 Jahre alt – absolvieren bei ihm die ersten Studierenden ihre „Abschlußarbeiten für künstlerische Formgebung und Gestaltung“. Ab 1978 ist er als Professor tätig. „Display-Design“ heißt damals der an der Muthesius-Werkkunstschule von ihm initiierte Schwerpunkt im Studiengang Informations-Design. Der Design-Professor gründet die Klasse für Grafik-Design-3D und das Experimentelle Labor – noch heute wird seine Experimentierfreude fortgeführt. Zehn Jahre lang ist Schwichtenberg als Prodekan und Dekan für die Muthesius tätig. Mehr als „150 Kreative“, wie er sagte, waren es, deren Diplomarbeiten er bis 2004 betreut. Generationen von Studierenden hat er in den rund 40 Jahren seiner Lehrtätigkeit und Professur begleitet. Mit vielen von ihnen hielt er weit über seine Emeritierung hinaus Kontakt. Als Lehrer, als Berater, als Freund.
Die wechselhafte Geschichte der heutigen Muthesius Kunsthochschule hat Bernhard Schwichtenberg wie kaum ein anderer begleitet und gestaltet: von der „Muthesius-Werkschule für Handwerk und angewandte Kunst“, wie sie ab 1947 hieß, über den seit 1972 der Fachhochschule Kiel angegliederten Fachbereich für Architektur, Kunst und Design bis hin zur Selbstständigkeit als Fachhochschule für Kunst und Gestaltung im Jahr 1994. Auch die Kunsthochschulwerdung hat er noch maßgeblich begleitet. Erst kurz bevor im Wintersemester 2005 die neu gegründete Muthesius Kunsthochschule ihren Betrieb aufnimmt, verlässt Schwichtenberg die Hochschule: Zum Wintersemester 2003/2004 wird er in den Ruhestand verabschiedet. 45 Jahre nach Beginn seines Studiums. Nahezu ein halbes Jahrhundert lang hat er die Kunsthochschule mitgestaltet. Wie kein zweiter hat er den Kontakt zwischen der Kieler Künstlerszene und der Muthesius Kunsthochschule hergestellt und gepflegt. An seine sehr humorvolle und warmherzige Art erinnern sich Weggefährten an der Kunsthochschule noch immer.
Mit Bernhard Schwichtenberg verliert die Muthesius Kunsthochschule einen ihrer prägenden Professoren. Einen Hochschullehrer, der jahrzehntelang zu 100 Prozent von morgens bis abends für seine Studierenden da war. Einen engagierten und entgegenkommenden Gestalter im Studiengang Kommunikationsdesign. Einen aktiven Sammler und Bewahrer alter Geschichte und Geschichten. Einen uneitlen Initiator, der nicht nur in die Kieler Kunstszene und die Politik hineinwirkte, sondern seine Fühler weit auszustrecken pflegte. Mehrere hundert Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland zeugen von seinem reichen gestalterischen Schaffen, das immer ebenso interdisziplinär ausgerichtet war wie die Hochschule selbst: im Zusammenspiel von Kunst und Gestaltung. Neben Schwichtenbergs Kinetischen Arbeiten und Materialbildern sind es seine legendären verspielten Drahtobjekte, die seine Menschlichkeit und sein soziales Denken spiegeln und Bernhard Schwichtenberg als den kritischen und mitfühlenden Zeitgenossen zeigen, der er war. Und der fehlen wird.
Foto: Klaus Byner