
Sie ist echt anders. Ein bisschen abgehoben. Und merkwürdig verschroben, aber auf eine sympathische Art. Die Rede ist von „Altona“ – einer 100 Jahre alten Schrift, die nun dank Julia Uplegger und Albert-Jan Pool weiterentwickelt worden ist.
„Große Lust, eine eigene Schrift zu entwerfen“
Die freiberufliche Grafikdesignerin sowie ehemalige Studierende der Muthesius Kunsthochschule und der ehemalige Lehrbeauftragte für Schriftgestaltung haben sich bei einem Besuch der ATypI-Konferenz für Schriftgestaltung in Antwerpen zu ihrem Projekt inspirieren lassen. „Ich hatte danach große Lust, eine eigene Schrift zu entwerfen – nicht nur ein Re-Design, sondern etwas Eigenes“, sagt Julia Uplegger. Und Albert-Jan Pool erinnerte sich an eine Entdeckung, die alles in Rollen gebracht hat. „Bei Spaziergängen in Hamburg habe ich diese alten Straßenschilder aus Emaille entdeckt, die mich auf die Idee gebracht haben, diese historische Schrift weiterzudenken“, sagt er.
Forschungsarbeit nach alter Schrift in Archiven
Denn die blauen Straßenschilder mit der weißen Schrift sind nur in einer kurzen Zeitspanne verwendet worden: von 1925 bis 1930 – bis das „rote“ Altona durch das „Groß-Hamburg-Gesetz“ von den Nationalsozialisten dem benachbarten Hamburg zugeteilt worden ist. Um doppelte Straßennamen in der Hansestadt zu vermeiden, sind viele Straßen umbenannt worden. Doppelte Straßennamen verschwanden – und mit ihnen die Straßenschilder. Diejenigen, die es noch gibt und die sie gefunden haben, konnten Albert-Jan Pool und Julia Uplegger fotografieren. In Archiven haben sie geforscht: Wer hat diese Schrift gestaltet? Gibt es möglicherweise Vorlagen für bis dato unentdeckte, noch fehlende Buchstaben?
Master-Thesis über Urspung der klassizistischen Schrift
„Mich hat sehr interessiert, die Schrift von den Straßenschildern weiterzudenken“, sagt Julia Uplegger. Eine der Forschungsfragen, die sie in ihrer Master-Thesis in Typografie und Buchgestaltung im Studiengang Kommunikationsdesign beschäftigten, lautete: Wie verändert sich die Wirkung der klassizistischen Antiqua, wenn man ihre wesentlichen charakteristischen Gestaltungsparameter verändert? In ihrer Master-Thesis hat Julia Uplegger sich theoretisch und praktisch mit den historischen Straßenschildern und dem Ursprung der klassizistischen „Altona“ beschäftigt. Dann die Schrift der Straßenschilder digitalisiert, ihre Anatomie analysiert und die nicht gefundenen fehlenden Buchstaben gestaltet. Auf dieser Grundlage hat sie dann das Konzept für zwei Schriften entworfen: die „Alison Head“ und die „Alison Text“.
Schriften sind nun veröffentlicht
Mehr als vier Jahre sind von der ersten Idee bis zur Fertigstellung vergangen. In dieser Zeit hat die Absolventin die drei Schriften erarbeitet, die nun im Verlag TypeMates als Head- und Textschrift in den Schnitten „Regular“ und „Bold“ veröffentlicht worden sind und zum Download bereitstehen. Eine kursive Variante ist derzeit noch in Arbeit. Hier sind sowohl „Altona“ als auch „Alison“ erhältlich.
„Altona und Alison sind gut gelungene Kommunikationswerkzeuge“
„Die Aufgabe von Kommunikationsdesign ist die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens“, zitiert Albert-Jan Pool den Hamburger Markenexperten Hans Domizlaff aus den 1920er Jahren. „Und eine wichtige Grundlage dafür bildet den Einsatz oder auch die Neuschöpfung von Schriften, die die Eigenheiten des zu Kommunizierenden verkörpern“, sagt Albert-Jan Pool. „So gesehen sind Altona und Alison gut gelungene Kommunikationswerkzeuge. Nun kommt es darauf an, dass sie für passende Zwecke eingesetzt werden.“
Weitere Informationen zur Schriftgestaltung und zu Julia Uplegger sowie zum Lehrgebiet für Typografie und Schriftgestaltung an der Muthesius Kunsthochschule.