Nadine Kles und ihre Residenz an einer Kieler Schule

Eine Ton- oder Lehmskulptur im Vordergrund; im Hintergrund steht unscharf eine Frau vor einer Treppe im Innenraum.

Die hölzernen Dielen knarren bei jedem Schritt. Von den Wänden platzt die graue Farbe ab. Auf dem Holzboden liegen trockene Tonbrocken, die von den hüfthohen Skulpturen bröseln. Hier oben, im Turmzimmer der Gemeinschaftsschule am Brook in Kiel-Gaarden, hat Nadine Kles in den vergangenen Monaten viel Zeit verbracht. Seit November hat sich die Hamburger Künstlerin im historischen Zimmer über den Dächern Kiels ein Atelier eingerichtet. Möglich gemacht hat das eine Artist-in-Residency, ein Förderprogramm für Künstler*innen, das im Rahmen des von Sven Christian Schuch konzipierten Projekts „going public – Von öffentlichem Interesse“ entstanden ist. Es versorgt besondere Orte des öffentlichen Raums mit Kunst. Zwei Vormittage in der Woche ist die Künstlerin hier wieder zur Schule gegangen. Mit Heizstrahler, warmer Daunenjacke und viel Inspiration.

„Dieser Raum hat mich gleich gecatcht“, sagt Nadine Kles. In Hamburg hat sie Illustration studiert, an der Kieler Muthesius Kunsthochschule im September ihren Master in Freier Kunst gemacht. Studiert hat sie in der Fachklasse für Freie Kunst und Keramik bei Professorin Isa Melsheimer.
An diesem Vormittag lugt der Sonnenschein durch die großen Fenster. Eine hölzerne Treppe windet sich an den Außenwänden entlang nach oben. Staub liegt auf den Stufen. In der Luft ein modriger Geruch. Hinter mechanischen Werken scheppert das Getriebe der gigantischen Turmuhr. Jede Minute surrt und brummt es. „Es ist ein zeitloser Ort. 120 Jahre alt ist dieser Raum, in dem unablässig die Uhr tickt und wo du in der Stille und Abgeschiedenheit deine Lebenszeit verstreichen hörst“, sagt die Künstlerin. „Ich kann hier ja nicht einfach Bilder aufhängen“, hat sie sich gesagt. Also: was dann? Papierbahnen an die hohen Deckenbalken hängen? Cut-Outs ausstellen?

Hoch oben im Turm hat sie selbst Türme gebaut. Wie Stalagmiten wachsen sie in die Höhe. Krumme Denkmäler der Vergänglichkeit. „Der Raum hat auf meine künstlerische Praxis zurückgewirkt, hat sich in Material, Form und Präsenz geäußert“, sagt die Künstlerin. Der Raum, er wurde zum Mitspieler. So war schnell klar: Aus Ton sollen ihre Skulpturen bestehen – in einem unvollendeten Zustand: roh, ungebrannt, teilweise brüchig und trocken, teilweise noch formbar. Wie der Raum. Ihre Spuren aus Ton hat Nadine Kles überall im Raum verteilt. Und über mehrere Ebenen.
Das Atelier in der Schule – für die Künstlerin wurde es zum Paradoxon. „Nichts ist so unöffentlich wie ein Schulraum“, sagt sie. Denn in die Schule strömen vormittags zwar die Schülerinnen und Schüler, nicht aber ins Turmzimmer. Es bleibt ihnen verschlossen. Ebenso wie für Nadine Kles die Schule jenseits der Unterrichtszeiten verschlossen ist. Die Interaktion mit Klassen funktioniert selten spontan, dennoch besucht sie wieder und wieder den Unterricht, stellt Fragen und diskutiert mit den Jugendlichen.

Heute, am Tag ihrer Präsentation im Turm, stellen Schülerinnen und Schüler die Fragen. „Was soll das hier sein?“ oder „Darf ich das anfassen?“ und „Was ist das für Material?“ Gemeinsam mit ihren Lehrkräften kommen sie am „Open Day“ in das Turmzimmer, besuchen die Künstlerin, die hier gewirkt hat. „Krass“ finden viele, was sie sehen. Sie zücken die Smartphones und posieren zwischen Ton und Turmuhrmechanik. „Können wir auch mal mit Ton was machen?“, fragen sie die Kunstlehrerin, die nickt. Eine Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst besuchen sie sonst nie.
Die Idee, in Form dieser Residenz die künstlerische Forschung in die Institution Schule zu bringen, stammt von Sven Christian Schuch. Der Künstlerische Leiter des spce | Muthesius an der Muthesius Kunsthochschule erklärt: „Durch diese Koexistenz von künstlerischem Blick und schulischem Alltag haben sich immer wieder neue Perspektiven ergeben, sowohl für die Schüler*innen, Lehrer*innen und den gesamten Schulbetrieb, als auch für die Künstlerin, die in einem bestehenden Organismus interveniert.“ So bilde das Atelier als Raum innerhalb der Schule in Abgrenzung zum Unterricht den Versuch, ästhetische Bildung in den Schulalltag einzubinden.Wenn nach sechs Monaten nun die Residency von Nadine Kles in Gaarden endet, ist das Kapitel der Residenzen an Schulen für Sven Christian Schuch noch lange nicht vorbei. „Ich möchte das Konzept gern in Kiel etablieren und mit wechselnden Schulen erproben“, sagt er.

30.04.2025

Im Fokus

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Übergeordnetes Ziel der Muthesius Kunsthochschule in Kiel ist es, durch künstlerisch-gestalterische Entwicklungs- und Forschungsvorhaben als Kristallisationspunkt für Arbeiten und geistige Auseinandersetzungen auf den Gebieten der Kunst, der Raumkonzeption und des Designs zu wirken. Die Muthesius Kunsthochschule in Kiel als einzige Kunsthochschule des Landes Schleswig-Holstein ist nicht nur ein Ort der Ermöglichung kulturell relevant werdender Biografien, sondern mit ihrem Projektstudium auch ein Ort besonderer Experimente und Realisierungen.
 Die Profile der Masterstudiengänge stellen teilweise in der Bundesrepublik einzigartige Studienangebote und Entwicklungsmöglichkeiten für Studierende dar.

„Im Zentrum der Muthesius Kunsthochschule steht die Kunst, das Künstlerische und das Gestalterische, das Schaffende und die Produktivität. Um diese Mitte bewegt sich auch das grundsätzliche Verhältnis von Theorie und Praxis. Dieses Wechselverhältnis ist ein permanenter Prozess, eine kreisende Bewegung um das von Kunst und Design ausgehaltene Zentrum. Es ist Freiraum nötig, um sich zu bewegen. Deshalb ist die erste Bedingung für Kunst und Design an unserer Hochschule Freiheit! Zum Studium an der Muthesius Kunsthochschule gehört der Wille, diese Freiheit zu nutzen, um zu einer ebenso kreativen wie produktiven Persönlichkeit heranzureifen. So können wir unseren Studierenden persönliche Biografien ermöglichen“, verspricht Präsident Dr. Arne Zerbst.

Rund 630 Studienplätze verteilen sich zurzeit auf die Studiengänge Freie Kunst, Kunst Lehramt an Gymnasien, Szenografie/Interior Design/Raumstrategien, Kommunikationsdesign und Industriedesign.

FORSCHUNG UND PROJEKTE

Das Studium an der Muthesius Kunsthochschule ist projektorientiert. Studierende werden frühzeitig ermutigt, Erfahrungen mit realen Auftraggebern zu machen. Mit dem Zentrum für Medien wurde eine  interdisziplinär arbeitende Einrichtung geschaffen, die den Studierenden dabei helfen, ihre Projekte erfolgreich zu realisieren.
Durch die Teilnahme an Exzellenzclustern zählt die Muthesius Kunsthochschule zu jenen international sichtbaren und wettbewerbsfähigen Forschungseinrichtungen, die dazu beitragen, den Wissenschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken. Zahlreiche Kooperationspartner auf lokaler, nationaler wie internationaler Ebene schätzen an der Muthesius Kunsthochschule ihre interdisziplinäre Kursstruktur sowie das persönliche Klima mit Semesterstärken von maximal 20 Studierenden – eine hervorragende Basis für Diskurse mit Innovationspotential.

INTERNATIONALITÄT

Studierende und Lehrende setzen sich jedes Semester im Rahmen interdisziplinärer Workshop-Wochen und hochschulintern organisierter, öffentlicher Symposien mit nationalen und internationalen Positionen in Kunst und Design auseinander. Internationale Dozenten sind stets Bestandteil dieser Pflichtveranstaltungen. Aus über 30 Ländern der Welt kommen junge Menschen in Kiel zum Kunst- und Designstudium zusammen. Ihr Anteil an der Studierendenschaft beträgt 14 Prozent, Tendenz steigend. Damit liegt die Muthesius Kunsthochschule weit über dem Bundesdurchschnitt.

WEBLOGS DER LEHRGEBIETE

Um die Vielfalt der Muthesius Kunsthochschule darstellbar zu machen, gibt es neben den »offiziellen« Informationsseiten (die farbige Hälfte dieser Webseite) über 40 Weblogs (die weiße Hälfte dieser Webseite), die von den einzelnen Lehrgebieten selbst gepflegt aktualisiert werden.

Für ganz Eilige haben wir hier eine kurze Bookmarkliste zusammengestellt:
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SEMESTERZEITEN

Sommersemester 2025
Semesterzeitraum: 01.04.2025 – 30.09.2025
Vorlesungszeit: 07.04.2025 – 25.07.2025

Wintersemester 2025/2026
Semesterzeitraum: 01.10.2025- 31.03.2026
Vorlesungszeit: 13.10.2025 – 13.02.2026
(Unterrichtsfrei 22.12.2025 – 02.01.2026)

 

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Die Muthesius Kunsthochschule tritt entschieden für die Anerkennung und Akzeptanz jeglicher Identitätskonzepte (LGBTQIA*) jenseits von binärer Geschlechterordnung und Heterosexualität ein.
(Bitte informieren Sie sich über die Gleichstellungsarbeit auf der Website der Kommission für Gleichstellung und Diversität: E-Mail: gleichstellungskommission@muthesius.de.)