Kleine Geschichte(n) des Experimentalfilms
Gezeigt und besprochen wird der Film:
Düsseldorf – Notizen am Rande
von Stephan Sachs
„Stephan Sachs hat Filmmaterial von 1925 bis 1953 zum Düsseldorf-Film „Notizen am Rande“
verarbeitet. Das Ergebnis dieser dreijährigen Arbeit wurde nun im Schauspielhaus erstmals gezeigt.
(…)Eigenwillig, ja frech geht Filmmacher Stephan Sachs mit dem Auftrag um, den ihm das Filmmuseum
gab. Dort lagert aus teils unbekannten Quellen viel historisches Material, das die Stadt nach den
Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg als Schuttwüste zeigt. Die Trümmerfilme zu sortieren und 60
Jahre nach Kriegsende in eine vorzeigbare Fassung zu bringen, war ihm in dreijähriger Arbeit nicht
genug. Er lässt den 70-Minuten-Film 1925 beginnen und 1953 enden. (…)Sachs wollte nicht nur Brüche,
sondern auch Kontinuitäten aufzeigen.
(…)Sein Witz besteht im Aufbau der Szenenfolge und in bewusst künstlich falsch wirkender Vertonung
von Stummfilmen. Bei Paraden, Aufmärschen und Sport lässt er die Bilder zu schnell laufen, spielt
aber auch mit Rücklauf und Zeitlupe. Er ist eben Künstler und nicht Historiker. (…) Der Film ist
widersprüchlich und hat Ironie. Das fleißige Aufräumen des beauftragten Stephan Sachs in einem
Zuviel an Schrott und Schutt wird zum Spiel mit dem oft arg banalen Rohstoff.
Filmmacher Stephan Sachs hat auf Video und DVD die Stadtgeschichte penibel, politisch und
phantasievoll zusammengestellt.
(…) Zwar greift auch Sachs auf das unentbehrliche Genandt-Material zurück. Aber er reichert es –
aus dem Archiv des Filmmuseums und anderer Institutionen – mit der trüben Seite der Medaille an,
mit dem Krieg, den Kriegszerstörungen, Und plötzlich erfährt man, dass jener Genandt ‚ der sich so
großbürgerlich und unpolitisch gab (dem man also eine Sympathie mit den ungehobelten Nazis
keinesfalls unterstellen wollte), schon 1933 in die NSDAP eingetreten war.
(…) Erst einmal ist man irritiert beim Besuch des Reichspräsidenten Ebert über im Ton asynchrone
Geräusche der Soldatenstiefel, asynchrones Pferdegetrappel (oder gar ein Verfremdungseffekt?). Aber
dann wird man mehr und mehr eingenommen von der auch begrifflichen Schärfe, mit der Sachs die
Wirtschaftskrise schildert. Die Gesolei ins Zwielicht schubst mit damals gängigen Formulierungen
wie „Volkskörper“, „Erbgut“, gar „Rassenhygiene“ in sarkastischen Montagen. Natürlich gibt es auch
Achterbahn, Badende im Rhein, Zeppeline. Doch Sachs montiert politisch. (…)
(…)Filmemacher Stephan Sachs hat – wie angekündigt – keine wissenschaftliche Bearbeitung der Jahre
zwischen 1925 und 1953 geliefert, sondern eine künstlerische Collage. Stellenweise verfremdet,
zugespitzt, kontrastiert, interpretiert. Wobei es ihm bemerkenswert gut gelungen ist, die Balance
zu halten, zwischen dem, was die Filme zeigen, und jenem, was nicht gezeigt werden kann, weil es
nie gefilmt wurde; zwischen der verfilmten Idylle und dem ausgeblendeten Terror.(…)“
WO
Im Medienseminarraum
Raum: L. 00.09
WANN
Am Mittwoch den 14.06.2023 um 19:00 Uhr
MIT WEM
Prof. Stephan Sachs (Film / time based media) im Ramen des Seminars: Perspektive Film
WER
Ihr seid alle herzlich eingeladen!
Ort: Medienseminarraum im Altbau; Legienstr. 35, Kiel
Datum: Mittwoch, 14.06.2023
Zeit: 19:00 – 21:00