Der in Osaka/Japan lebende Yasumasa Morimura (*1951) zählt zu den berühmtesten zeitgenössischen Künstlern. Das mag mit seiner sehr eigenwilligen Auslegung der westlichen ,appropriation art‘ begründbar sein. Morimura positioniert sich mit Fotografien, die in der Tradition der tableaux vivants Werke Großer Meister aneignen und reinszenieren, um verschiedene Facetten von Identität auszuhandeln. Um die fotografischen Wiederholungen und Aneignungen von kanonisch gewordenen Gemälden der abendländischen Kunstgeschichte herstellen zu können, unterwirft Morimura seinen eigenen Körper einer aufwändigen Kostümierung und Maskierung. Als wolle er das aus der Biologie bekannte Phänomen der Mimikry imitieren, schlüpft er mithilfe der Maskerade so perfekt in die Rollen seiner Vor-Bilder, dass die Differenzen zwar stets sichtbar gemacht, Autorschaft und Originalität dagegen unbestimmbar werden. In großem Stil hat sich Morimura 1994 auf diese Weise mit Portraits und Selbstportraits von Rembrandt auseinandergesetzt. In der 2013 in Tokio gezeigten Installation Rembrandt Room erweisen sich die auf Mimikry setzenden Aneignungen zum einen als Strategien der Kritik an einer Fülle von Aspekten des europäisch-amerikanischen Systems Kunst; zum anderen wird Mimikry als Denkfigur der postkolonialen Theorie genutzt, um in einem „dritten Raum“ Identität als immer wieder neuen Aushandlungsprozess vor Augen zu führen.
Dr. Victoria von Flemming ist seit 2005 Professorin für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte an der Hochschule der Bildenden Künste in Braunschweig und eine der beiden Sprecherinnen des DFG Graduiertenkollegs Das Fotografische Dispositiv. Von 1993 bis 2000 als wiss. Assistentin am Aufbau des Interdisziplinären Instituts zur Erforschung der Frühen Neuzeit an der J.W. Goethe Universität, Frankfurt/Main beteiligt. Zahlreiche Publikationen und Herausgeberschaften zu Modernisierungstendenzen der frühen Neuzeit; zu Formen und Funktionen der Präsenz und Vergegenwärtigung von Vergangenheit in der visuellen Kultur der Gegenwart (Barock/Moderne/Postmoderne; Vanitas; Rembrandt); zur Konstruktion von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen; zu Theorien und Praxen in (post)fotografischen Archiven und zur visuellen Kunst als Historiographie. Weitere Schwerpunkte der Forschung sind Methodologie mit dem Schwerpunkt Interpikturalität/Intermedialität bzw. Wiederholung und Aneignung sowie Vanitas als in der Gegenwart wiederholtes Motiv des Barock, in Vorbereitung ein Buch über Rembrandt-Referenzen.
Ort: Kesselhaus der Muthesius Kunsthochschule; Legienstraße 35, 24103 Kiel
Datum: Dienstag, 16.01.2018
Zeit: 19:30 – 21:30