
Seit Beginn des Wintersemesters 2022/2023 ist Isa Melsheimer neue Professorin für Keramik im Studiengang Freie Kunst. Sie folgt auf Professorin Dr. Kerstin Abraham, die die Keramikklasse seit dem Wintersemester 1994/95 unterrichtet hat. Isa Melsheimer, 1968 in Neuss geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Von 1991 bis 1997 studierte sie an der Universität der Künste Berlin und besuchte dort die Meisterklasse von Georg Baselitz. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und Residenzen, darunter 2013 das Stipendium der Deutschen Akademie der Villa Massimo in Rom und 2017 eine Arts Residency auf Fogo Island.
Frau Melsheimer, Sie sind seit kurzem neue Professorin für Freie Kunst in der Keramikklasse – was kann Keramik, was andere Materialien nicht können?
„Keramik ist ein Material, mit dem sehr viel möglich ist. Ein Material, was eine gewisse Handwerklichkeit voraussetzt. Die Möglichkeiten der Keramik gehen bei weitem darüber hinaus, ein Gefäß zu formen, zusätzlich bringen die unterschiedlichen Oberflächen oder Glasuren, minimale Temperaturunterschiede und kleine Abweichungen in der Glasurmischung große Veränderungen. Das Ausloten von Form, Oberfläche und Farbe macht es so spannend und vielseitig.“
Wie sind Sie das erste Mal mit Keramik in Berührung gekommen?
„Die befreundete Künstlerin Polly Apfelbaum war zeitgleich mit mir in Rom in der American Akademie. Sie hatte einen Keramikkurs ausfindig gemacht, zu dem ich sie begleitet habe. In dem Keramikstudio wurden mir die Grundlagen der Keramik vermittelt.“
In Ihren Arbeiten beschäftigen Sie sich mit urbanen Lebensräumen oder mit der mitunter zerstörerischen Beziehung des Menschen zur Umwelt, formen Walherzen, Bakterien, Lost-Places-Häuser oder Krater aus Keramik und anderen Materialien. Was reizt Sie an diesem Thema?
„Genau, ich beschäftige mich seit Jahren mit der gebauten Umwelt, den Bedingungen ihrer Gestaltung und Veränderungen, mit der Geschichte des Gebauten, damit ist nicht nur die Architektur gemeint, sondern auch die Natur und somit der Einfluss der Menschen auf die Natur. Da ist zum Beispiel die japanische Architekturbewegung der Metabolisten, die ihren größten Auftritt auf der Weltausstellung 1970 in Osaka hatten. Die futuristischen und utopischen Projekte der Metabolisten bestanden darin, Strukturen zu konzipieren, die die Funktionsweise eines lebenden Organismus nachahmen. Wiederholbare und multiplizierbare Module wurden zu schwimmenden Ozeanstädten, zu pilz- oder baumartigen Häusern.“
Wieso sind Sie Künstlerin geworden?
„Aufgewachsen bin ich auf einem Weingut an der Mosel. Erste Prägungen kamen sicher durch meine Mutter, die einige Semester Kunst studierte, bevor sie zum Kommunikationsdesign wechselte. Mein Opa war Kirchenmaler, unser Haus voll mit christlicher Kunst, wie Altarbildern und Skulpturen. Ich selber entschied mich zuerst Bühnenbild zu studieren, merkte jedoch schnell, dass das nichts für mich war. So habe ich mich an der Universität der Künste Berlin für Freie Kunst beworben.“
Sie haben in den 1990er Jahren an der Universität der Künste bei Georg Baselitz studiert – wie hat er Sie geprägt? Was hat er Ihnen mitgegeben?
„Wie viele meiner Kommilitonen habe ich mit Malerei angefangen, aber sehr bald damit aufgehört und dann Objekte aus Stoff und Rosshaar gefertigt, fast wie in einer klassischen Polsterei. Anstelle von Zeichnen oder Malen habe ich gestickt. Meine Zeit an der UdK war männlich dominiert und dann noch bei Baselitz in der Klasse, sicher war da auch Bockigkeit dabei, dass meine Arbeiten erstmal nur aus Textil waren. Am Ende hatte ich einen guten, produktiven Kampf mit meinem Professor. Ich habe gelernt meine Arbeiten zu verteidigen.“
Jetzt sind Sie selbst Professorin in der Freien Kunst. Was möchten Sie Ihren Studierenden mitgeben?
„Die Hochschule ist ein geschützter Raum, in dem die Studierenden viel ausprobieren können. Für mich ist es wichtig, dass den Studierenden nahegebracht wird, dass Technik und handwerkliche Fertigkeiten wichtig sind, aber immer im Zusammenhang mit einer Inhaltlichkeit stehen sollten. Die Studierenden sollen dafür sensibilisiert werden, in ihrer alltäglichen Umgebung, in ihrer Welt die ästhetischen Dimensionen zu erkennen und dafür Ausdrucksmöglichkeiten zu finden, um diese in Arbeiten umzusetzen.“
Mit Blick auf Ihre neue Aufgabe in der Keramik: Worauf freuen Sie sich besonders?
„Ich freue mich besonders darauf zu erfahren, wie junge Leute ticken, wie sie denken. Es ist sehr viel passiert, seit ich studiert habe. Mich interessiert, was die Studierenden heute von der Welt wollen, was ihnen unter den Nägeln brennt.“
Was reizt Sie an Kiel, an der Muthesius Kunsthochschule?
„Die Muthesius ist eine sehr junge Kunsthochschule, mit einem motivierten Team. Die Werkstätten, besonders in der Keramik, sind sehr gut ausgestattet, das ist außergewöhnlich. Und das Privileg, so zu arbeiten, haben nicht alle Studierenden anderer Kunsthochschulen. Es gibt in Deutschland auch nur wenige Kunsthochschulen mit einer Keramikklasse, das macht Kiel sehr besonders.“
Zur Person
Isa Melsheimer wurde 1968 in Neuss geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Von 1991 bis 1997 studierte sie an der Universität der Künste Berlin und besuchte dort die Meisterklasse von Georg Baselitz. Melsheimer, die sich in ihren Arbeiten der Architektur der Moderne bedient, um die komplexe und zerstörerische Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt zu erforschen, erhielt zahlreiche Stipendien und Residenzen, darunter 2013 das Stipendium der Deutschen Akademie der Villa Massimo in Rom und 2017 eine Arts Residency auf Fogo Island. Nach einer Gastprofessur für experimentelles Zeichnen an der HBK Braunschweig ist sie nun Professorin für Freie Kunst in der Keramikklasse der Muthesius Kunsthochschule. Ihre Werke befinden sich unter anderem in den Sammlungen des Museums Ludwig, Köln, des Arp Museums Bahnhof Rolandseck in Remagen, des Stedelijk Museum voor Actuele Kunst in Gent oder des CNAP Centre National des Arts Plastiques in Paris.
Foto: Oliver Mark